We want the whole fucking Erbe

 

Ahoi,

ihr kennt es vermutlich alle – das Bild mit den spielenden Kindern auf einem Autowrack mit dem Schriftzug ›We want the whole fucking bakery‹. Seit spätestens Mitte der Achtziger Jahre ist es in ›der Szene‹ unterwegs, bekannt wurde es durch ein Werbeposter der ›radikal‹.

Ursprünglich stammt es allerdings von Wolfgang Krolow, einem Fotografen des Neuen Berliner Realismus, der in seiner Anfangsphase ebenfalls deutliche Szenebezüge hatte und auch beibehielt. Das wussten vermutlich die wenigsten, wir auch nicht – bis uns Anfang des Monats ein Brief einer Rechtsanwaltskanzlei erreichte. Diese vertrete die Erbin von Wolfgang Krolow und forderte nebst einer Unterlassungserklärung, auch einen Einblick in unsere Zahlen (um uns danach eine heftige Abmahnung schicken zu können).

Nun, wir als Anarchist:innen sehen das mit dem Copyright kritisch. In unserem Verständnis ist Kultur im Wandel; bezieht sich aufeinander, baut aufeinander auf und ist niemals losgelöst von gesellschaftlichen Verhältnissen zu denken. Einem freien Fließen der Kreativität steht das Copyright diametral entgegen. Genauso selbstverständlich wie jegliches ›geistiges Eigentum‹ für uns Diebstahl und kleinkarierter, fortschrittsfeindlicher Humbug ist, ist es aber auch, dass jede:r nach seinen Fähigkeiten leben können sollte und die optimalen Chancen sein/ihr Potential nutzen zu können erfahren müsste. In unserer Gesellschaft ist dem leider nicht so. Ob und wie mensch durch seine Fähigkeiten leben kann, wird immer durch die Verwertbarkeit eben dieser bestimmt. Diese notgedrungene Realität verneinen wir nicht einfach – und so versuchen wir selbstredend Grafiker:innen, Fotograf:innen und alle anderen kreativ Schaffenden zu supporten.

Eins steht jedenfalls so oder so fest: aus dem kreativen Schaffen Anderer, wird sich hier nicht bereichert (was als not-for-profit Mailorder auch irgendwie unmöglich ist).

Also schrieben wir der Erbin einen Brief und schlugen ein Gespräch auf Augenhöhe vor, um den Sachverhalt zu klären, schließlich bestand ja auch die Möglichkeit, dass sie uns für eine kommerzielle Klitsche hielt, die rücksichtslos alles verwertet was irgendwie passt. Leider wurde unser Schreiben abgewatscht – und zur Krönung uns noch unterstellt, wir würden mit dem Verkauf des Bildes zusammen mit der politischen Parole, auch noch das Andenken an Wolfgang Krolow ›beschmutzen‹.

Wir haben uns daraufhin mal die ersten Bücher von Wolfgang besorgt – unter anderem das Instandbesetzer-Bilderbuch, dass er mit Peter-Paul Zahl zusammen herausgegeben hat. Ein deutlich parteiisches Buch von dem Wolfgang Teile der Erlöse an die Bewegung gespendet hat.

Allerdings kommt für uns da noch etwas anderes ins Spiel: Erben? Was ist denn das eigentlich für ein bescheuertes Konzept und warum wird es so wenig thematisiert? Einige privilegierte reiche Leute, geben ihre Privilegien qua Blutlinie weiter und verfestigen so für immer und ewig die ursprüngliche Akkumulation!? Versteht uns nicht falsch: wir denken alle sollten ein gutes Leben haben, Luxus sollte generalisiert werden. Wir denken, dass es dazu eine Umwertung aller Werte bedarf – alles was als exklusive Währung den Zugang zu Grundbedürfnissen, Luxus und dem schönen Leben reguliert, gehört abgeschafft. Auf dem Weg zu einer Gesellschaft, die sich nach den Bedürfnissen aller richtet, mag es dabei nötig sein, dass der ein oder die andere aber auch mal enteignet wird.

Nun steht das Recht schon immer auf der Seite der Besitzenden – und daher ist es kein Wunder, dass die Erbin von Wolfgang Krolow nun lieber die Vermittlung durch Anwälte und Gerichte sucht um ihr Eigentum zu mehren, statt einem Gespräch auf Augenhöhe zuzustimmen. Vermutlich geht sie auch davon aus, dass so mehr für sich raus zu holen ist – blöd nur, dass wir ›not-for-Profit‹ halt auch ernst meinen und die Umsätze von dem Motiv und insbesondere der Gewinn lächerlich gering ist. Nach Abzug ihrer Anwaltskosten wird da kaum was übrig bleiben. Unser Mitleid hält sich in Grenzen.

Wir speichern keine personenbezogenen Daten und können somit auch keine an irgendwen weiter geben, aber auch die nicht personalisierten Zahlen werden wir so gut es geht schützen. Das kostet leider Zeit und Geld, beides Ressourcen die wir momentan nun wirklich gerne in spannendere und wichtigere Aufgaben stecken würden.

Wir gingen bislang durch die jahrelange Nutzung innerhalb der Szene von einer allgemeinen Freigabe des Motives aus.

Ein Traum wäre es sicherlich, wenn der eine oder die andere Wolfgang Krolow kannte oder wen kennt, der/ ihn kannte und uns eventuell so bestätigen könnte, dass die Bilder damals gemeinfrei weiter gegeben wurden oder zumindest das Argument, dass sein Andenken beschmutzt werden würde, relativieren könnte (denn über die emotionale Schiene möchte die Erbin einen ›Schadensersatz‹ einklagen).

Wir schließen mit einem Zitat von Peter-Paul Zahl aus dem Vorwort zum Instandbesetzer-Bilderbuch: »Die Andere Kultur zur herrschenden Barbarei: EIN LACHEN WIRD ES SEIN, DAS EUCH BEERDIGT!«